Der Stress mit dem Stern

Als ich gestern so meine E-Mails an der frischen Luft las, ploppte plötzlich eine email mit automatische generiertem Titel  „per E-Mail senden: Gendersensible Sprache statt Sprach-Verhunzung KOMMUNAL.pdf“ in meinem Posteingang auf.

Hui, dachte ich so, da hat mein Spam-Filter versagt, der sonst so zuverlässig alle libido- und genitalvergrößernden Werbeangebote sofort in den Papierkorb befördert. Aber, dieses E-Mail kam vom Bürgermeister von Krailling. Dort wo ich Gemeinderätin bin. Dort wo dem generischen Maskulin nicht der Anstand, sondern ein Gemeinderatsbeschluss eine Ende machte. Ja, ich habe einen Beschluss erwirkt, damit in Publikationen der Gemeinde wenigstens die Frauen mit genannt werden und nicht einfach so “ a dabei“ sind. Also “ Sehr geehrte Damen und Herren“ statt nur, wie es der damalige Bürgermeister sich vorstellte „Sehr geehrte Herren“ (mit einem Sternchen zur Fußnote, dass mit jeder Nennung der männlichen Form alle anderen mit gemeint sind).

Soweit so gut. Eigentlich nicht, denn gut hat er die Gemeinderatsentscheidung nicht aufgenommen und mir in Folge mehrfach den Unsinn gendergerechter Sprache manpslained.

Das ist jetzt fast 4 Jahre her. Und heute bekomme ich, ohne weiteren Kommentar ein Pamphlet, das Dr. Josef Lange, der für den „Rat der deutschen Sprache“ fordert, die Deutsche Sprache nicht zu verhunzen (ich bin ja schon dankbar, dass er sich die Vergewaltigungs-Metapher spart). Und zwar: Die Leute verstehen sonst die Verordnungen nicht.

Gut. Zunächst mal zu Dr. Lange, der hat mal irgendwann Katholische Theologie, Geschichte und Politikwissenschaft studiert (zwei davon habe ich auch studiert und es hat meinem schriftlichen Ausdruck nachhaltig geschadet) und ist seit dem von Universitätsgremium zu Forschungsgremium gependelt und schließlich in Niedersachsen Staatssekretär zu werden. Wikipedia beschreibt ihn als „Verwaltungsbeamten Josef Lange“ um ihn abzugrenzen von Schriftstellern und Journalisten gleichen Namens (und mit sprachwissenschaftlicher Kompetenz)

Und dessen Lamento auf den Untergang der deutschen Amtssprache im bedeutenden literarischen Magazin „Kommunal“ bekommen wir nun kommentarlos zugesandt. Offensichtlich leidet der Bürgermeister sehr darunter, dass die laute, rothaarige Feministin ihm neben vielen, weit schlimmeren, Schlappen auch diese beigebracht hat. Dabei wäre es als Frau doch mein Job ihm dieselben zu bringen!!!!

Und nun sitze ich hier auf dem Rücken meines treuen Pferdes und sinniere. Und immer wieder kommt mir ein Terminus in den Sinn „alter weißer Mann“ . Auf wen ich mich beziehe, den Dr. Lange oder den Bürgermeister darf sich jede*r selbst aussuchen.

Eigentlich mag ich solche pejorativen Ausdrücke nicht.  Und ich selbst habe, gerade im Horseoffice  auch „Alter-weißer-Mann-Momente“. Nämlich immer dann wenn ich durch den Wildpark reite und meinen im Galopp genommenen Weg eine Horde Wildschweine kreuzt. Hier kann ich es ja verraten: Ich stelle mir dann immer vor, ich sei Gandalf der Weiße in „die zwei Türme“, wie er auf seinem Schimmel den Hang hinunter in die Ork-Armee  galoppiert. Wenn Sie nicht direkt und ohne nach links und rechts zu schauen auf genau diesen Beitrag gekommen sind: Ich bin eine rothaarige, mittelalte Frau, die auf ihrer Rappstute durch die Gegend schaukelt und dabei so vor sich hin sinniert. Also mangelnde Empathie für alte weiße Männer kann man mir nicht unterstellen.

Aber das hier ist so cringe ich weiß gar nicht, was ich da noch sagen soll…meinen die Herren wirklich, Amtsdeutsch wird durchs gendern unverständlich? Dann sollen sie mal meine Eltern fragen, die sich bereits in der guten alten Zeit, wo wir noch alle Männer waren über die Unverständlichkeit öffentlicher Bekanntmachungen geärgert haben.

Es gäbe übrigens für den Dr. Lange ein Lösung, aber die findet der Deutsche Rechtschreibrat auch doof: Texte zusätzlich in einfacher Sprache anzubieten. In einfacher Sprache wird, um es halt einfach zu halten, auf Gendergerechtigkeit verzichtet. Und da ist es auch ok. Aber einfache Sprache ist halt auch für Leute mit Leseschwäche, die nicht aus dem deutschsprachigen Raum kommen oder sonst Probleme haben, wenn es zu komplex wird. Dafür sind viele Gründe legitim. Ignoranz und Misogynie sind keine davon. Wenn ich was nicht kann, ok, aber wenn ich einfach keinen Bock hab?

Also, ich gender‘ gern, weil ich es einfach als Zeichen eines respektvollen und empathischen Miteinanders sehe. Aber ich verlange es nicht von anderen Privatpersonen. Das soll jede*r halten wie er*sie es möchte.

Aber von Behörden, die für ALLE verbindliche Regeln machen, erwarte ich, dass sie auch ALLE ansprechen.

So schaut’s aus.

P.S. ich hab das sogar schon mal der Zeitung erzählt