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Der große Coup…

Ich, als Gemeinde-und Kreisrätin mag öffentliche Sitzungen. Ich mag es, wenn die Bürger*innen aus erster Hand erfahren können, warum ich eine Entscheidung treffe.

Und die Bayrische Gemeindeordnung sieht auch vor, dass erstmal alles öffentlich behandelt wird, und gibt nur zwei Ausnahmen vor:

Dort heisst es im Art 52 (2)

(2) 1Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. 2Über den Ausschluß der Öffentlichkeit wird in nichtöffentlicher Sitzung beraten und entschieden.

Als wir nun also die Ladung erhielten, und das Thema (mal wieder) mit wenig Information zur Vorbereitung auf der Tagesordnung stand, haben sich einige Kolleg*innen und auch ich die BayGo vorgenommen und sind zu dem Schluss gekommen, dass ein großes öffentliches Interesse besteht und kein Kriterium für Nichtöffentlichkeit erfüllt ist. Mehr noch: die Gefahr eines nichtigen Beschlusses steht im Raum.

Ich frage mich natürlich, warum ich solche Überlegungen anstelle, und das Rathaus wohl nicht. Aber am Ende: Was wäre denn die Folge eines nichtigen Beschlusses? Der Bürgermeister hätte wieder freien Entscheidungsrahmen und wäre formal nicht mehr an das Entscheidungsergebnis gebunden. Ich hoffe, er hätte so oder so nie gegen unser Votum gehandelt, aber bei Beschluss zugunsten seines Vorschlags, hätte ihn der nichtige Beschluss nicht gehindert, zu Ungunsten wäre es ein nichtiger Beschluss gewesen.

Doch ich möchte hier Hanlons Razor Gehör geben, welches empfiehlt, nicht Böswilligkeit in betracht zu ziehen, wo es auch ein Fehler ohne Hintergedanken sein kann. Im Original lautet es: „Never attribute to malice that which can be adequately explained by stupidity“ ( So würde ich das natürlich nicht sagen) Doch die Unfähigkeit wenigstens vor Eintritt in dieselbe die Zustimmung des Gemeinderats zur Tagesordnung zu bekommen, spricht dafür.

Aber es gibt, glücklicherweise, wenig, was nicht ein aufmerksamer Gemeinderat korrigieren kann. Hier in Form eines Antrags zur Änderung der Tagesordnung.

Allerdings war nicht nur die nichtöffentliche Behandlung aus unserer Sicht zu rügen, sondern auch die spärlichen Informationen, die uns an die Hand gegeben wurden: Ein Professor aus Heidelberg sieht eine Klage gegen die Einbeziehung von Kosten für Einrichtungen und Betrieb des Landratsamtes als Staatsbehörde als zielführend an. Ob das nur auf dem Wege einer Klage gegen das Landratsamt oder auch durch eine Klage des Landratsamtes gegen den Freistaat, was am Ende auch ein Ziel der Klage der Gemeinde Krailling sein muss, geschieht, wird nicht thematisiert.

Ich bin Kreisrätin und natürlich wurden wir auch seitens der Landkreisverwaltung informiert, was da gerade passiert. Aber ich bin keine Juristin und ich darf auch keine Informationen aus einer nichtöffentlichen Information weitergeben. Daher beantragten wir, dass wir beide Seiten hören möchten um uns fachgerecht informiert entscheiden zu können.

Nun drängte aber zudem die Zeit: Der Kreisumlagebescheid wird nächste Woche wirksam. Doch, das Schicksal ist mit den Tapferen: Der Landrat hatte just an diesem Abend Zeit, der Einladung nach Krailling spontan zu folgen. Welch Glück 😉

 

Die Behandlung des Tagesordnungspunkts im Verlauf der Sitzung zeigte, wie schlau es gewesen war auf Öffentlichkeit und Ladung des Landrats zu bedingen:

Der Vortrag des RA Langgartner bestand neben der Erklärung der Doppelfunktion des Landratsamtes und einer Präsentation der Zahlen, die die Rathausverwaltung bereitgestellt hatte, vorwiegend aus Hinweisen auf die Haftung des Gemeinderats bei Vorsatz, grober Fahrlässigkeit und Untreue.

Na Mahlzeit! So stell ich mir Ehrenamt vor. Wenn ich nicht den Plänen des Bürgermeisters zustimme, drohen mir rechtliche Konsequenzen. Aber, kennt Ihr die tolle Seite von Mai Ling zu Populismus? Die ist hier

Und wie ich mir so die Schilderung des Unheils, dass über uns hereinbrechen wird, wenn wir falsch abstimmen, anhöre fällt mir das ein:

Die Motte & Bailey-Taktik: Stoßen Populisten mit einer besonders kontroversen Aussage auf Kritik, schwächen sie ihr Argument so sehr ab, dass es einfacher zu verteidigen ist. So erscheint auch die ursprüngliche Aussage schwerer angreifbar. Die Metapher: Auf dem Burghof (Bailey) darf man schon mal eine große Klappe riskieren, bei Gegenwehr kann man sich ja auf den sicheren Turm (Motte) zurückziehen.

Uns wurde als erstmal gesagt, was uns so alles widerfahren kann (böse Zungen haben das in der Sitzung als Drohung verstanden) und dann leider hinterhergeschoben, dass das passieren könnte. Vielleicht. Wenn wer klagt. Und uns dann z.B. Untreue attestiert werden kann. Also eher unwahrscheinlich.

Also viel Drohung, wenig Information. So hat das unsere 2. Bürgermeisterin Ricarda Weimar zusammengefasst.

Soweit so gut. Einige Zeit ist vergangen und der Landrat sitzt immer noch wie bestellt und nicht abgeholt hinten im Raum. Würde ich wen in der Nacht nochmal rauszitieren, würde ich ihn sehr zuvorkommend behandeln. Egal.

Auftritt Landrat: Wegen solcher Drohungen brauchen wir uns überhaupt keine Sorgen machen. Wir dürfen vertrauen in die behördliche Arbeit haben und müssen nichts juristisch prüfen.

Es folgt ein längerer Vortrag, wie es aus Sicht des LRA aussieht. Hier wird endlich auch meine Frage beantwortet, warum die anderen Bürgermeister ( von den eh nur dreien) nicht mitmachen: Das LRA hatte informell zugesagt, selbst zu klagen. Jetzt hat er es öffentlich gesagt. Das zählt für mich.

Gut, den Satz, dass wen Krailling gegen das LRA klagt, klagt das LRA nicht gegen den Freistaat hätte er sich aus meiner Sicht sparen können, aber da will ich in Anbetracht der Uhrzeit, der Wartezeit und des forschen Auftritts des gemeindlichen Anwalts nicht päpstlicher als der Papst sein. Denn es war ein guter Vortrag. So gut hätte ich das nie rüberbringen können.

Am Ende sehe ich es so:

  • Das Gutachten ist sinnvoll. Denn es stimmt schon, dass den Kommunen immer mehr aufgelastet wird, sie aber keine finanzielle Kompensation erhalten. Die Finanzierung der Kommunen muss m.E. auf den Prüfstand gestellt werden: Denn unsere Kosten steigen proportional zu den Einwohner*innen (Betreuungskosten, Infrastruktur) aber die Finanzierung hängt am Gewerbe mit seiner sehr volatilen Gewerbesteuer und dem massiven Konkurrenzdruck unter den Kommunen
  • Ich bin auch bereit, auch wenn es anders ausgemacht war, einer Beteiligung an den Kosten zuzustimmen. Das haben wir gestern auch so an Rande erfahren. Hätte ich gerne gleich gewusst
  • Die Mandatierung des Bürgermeisters für Gerichtsprozesse hat vom Gemeinderat zu erfolgen. Es ist nicht der Großmut von Herrn Haux, dass er es auf die Tagesordnung setzt, auch wenn er es so dargestellt hat.
  • Und diese Abstimmung sollte auch nicht dazu dienen, mal wieder den Gemeinderat schlecht hinzustellen: Der Bürgermeister sollte hinter den Ratsentscheidungen stehen, wie es sich für einen Demokraten ziemt. Und nicht medial hinterhertreten, wenn einer seiner Ideen nicht durchgeht. Vielleicht haben auch andere Leute Lebenserfahrung und Kompetenz, die er uns mit solchem Gebaren abspricht.
  • Letztlich: In Abwägung ist ein Alleingang der Gemeinde Krailling abzulehnen. Denn ein Landkreis ist eine Solidargemeinschaft, die gemeinsam zum Besten aller handeln soll. Solch ein Alleingang könnte viele Folgen haben, die ich fürchte, der Bürgermeister nicht bis zum Ende durchdacht hat: Sollten wir wirklich durch die Klage Geld zurück erhalten, zahlt das erstmal (und in diesem Jahr sicher ohne Erstattung vom Freistaat) der Kreis und damit die anderen Kommunen. Die werden höher belastet. Wenn der Landrat ernst macht und nur eine Klage am Hals haben will, so würde die Klage Kraillings erst einmal den Weg für alles andere verbauen. Und zu guter Letzt ist gemeinsam mehr zu erreichen, das ist ein dickes Brett und zu dick für das kleine Krailling, auch wenn sich damit der Bürgermeister auf allen Titeln der Gazetten wähnt.

Die Abstimmung fiel am Ende klar gegen eine vom Bürgermeister angestrebte Klage aus. Es gab nur vier Befürworter*innen, von denen die FDP Fraktion und der Bürgermeister namentlich genannt werden wollten.

Am Ende tat noch er Kollege und Jurist Walterspiel, was ich eigentlich von dem von der Gemeinde bezahlten Anwalt erwartet hätte: Er beantragte schriftlich im Beschluss festzuhalten, dass wurd nicht aus dem holen Bauch, sondern „auf informierter Grundlage getroffen [hat]. Basis war eine umfassende persönliche Information des Landrats Frey über die Erfolglosigkeit einer Anfechtungsklage, fehlende Präzedenzfälle und fehlende, substantiierte Anhaltspunkte, dass der Landkreis den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei der Kreisumlage verletzt hat.“

Auch hier stimmten Bürgermeister, FDP und SPD dagegen. Warum? Ich weiß es nicht. Wollen der Bürgermeister und die Kolleg*innen, dass wir, die wir sorgfältig abgewogen haben, negative Folgen aus unserem Ehrenamt erleiden? Ich möchte diese Frage nicht beantworten.

Ich denke, es war durch die gute Vorbereitung des Gemeinderats ein guter Punkt und eine der besten Diskussionen, die ich in den letzten 10 Jahren  in diesem Gremium erlebt habe.

Insofern denke ich, war Transparenz und das Wohl der Gemeinde angeht, hat der Gemeinderat einen großen Coup geliefert und damit den vermeintlich großen Coup der Bürgermeisters als unausgegoren und nicht bis zum Ende durchdacht entlarvt.